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Flashback

1. März 2017

Meine schlimmste Zeit

Die schlimmste Zeit während meiner gesamten Behandlung, inklusiver aller OPs und Untersuchungen war während der Bestrahlung. Diese startete heute genau vor einem Jahr.

[su_heading size="20" align="left"]Die Bestrahlungs-Odysee[/su_heading]

33 Bestrahlungen, jeden Tag außer am Wochenende und an Feiertagen. Jeden Tag mit dem Taxi 30 Km hin und zurück. Immer schauen das die Blase gut gefüllt und der Darm entsprechend leer ist. Es stellte sich eine gewisse Routine ein: jeden Morgen der gleiche Ablauf, die gleiche Menge trinken und essen. Im Normalfall ganz einfach.

Personen mit eigenen Bestrahlungserfahrungen meinten im Vorfeld es sei alles recht locker und entspannt. So war ich selbst anfangs auch recht entspannt, zumal sich nach den ersten drei Anwendungen alles ganz gut einspielte. Allerdings merkte ich nach kurzer Zeit schon die negativen Auswirkungen auf meinen Körper. Die OP-Narbe schwoll an und verengte dadurch die Harnröhre (Anastomosenstriktur). Und das bereits nach einem Drittel der Anwendungsserie. Die Verengung führte zu einem schwächeren Strahl und es bestand die Gefahr auf ein Urinstau. Das musste natürlich vermieden werden.

Um die Striktur zu entfernen war ein kleiner operativer Eingriff notwendig. Dieser Eingriff hätte allerdings zu einer Unterbrechung der Bestrahlung geführt. Da die Onkologen die Bestrahlung jedoch nicht unterbrechen wollten, wurde mir ein sogenannter "Pufi" (Fachbegriff: subrapubische Katheter), also ein Bauchdeckenkatheter gelegt.

Durch die Bestrahlung war die Gegend um die Blase bereits in Mitleidenschaft gezogen und es fiel mir schwer die Blase bzgl. Füllstand so zu steuern das problemlos "angestochen" werden konnte. Denn zum durchstechen der Bauchwand und Blase war eine volle Blase notwendig. Es war schon so für mich nicht einfach eine gut gefüllte Blase zu erreichen, aber wenn ich dann auch nur auf Zuruf zum Anstich hereingerufen werde, musste ich dreimal kurz vor dem Anstich aufgrund des großen Blasendrucks aufs Klo. Völlig verzweifelt wollte ich es für diesen Tag komplett abbrechen. Beim letzten Versuch sollte es dann aber klappen.

Den Stich selber habe ich eigentlich nicht bemerkt. Im Gegenteil es stellte sich rasch eine gewisse Erleichterung ein, denn die Blase leerte sich. Allerdings ging viel durch die Anstichstelle heraus, so dass ich mich fast komplett im Beckenbereich einnässte. Zwar sollte ich meine Klamotten etwas nach oben bzw. nach unten ausziehen, aber eben nicht ganz aus. So war dann einiges etwas feucht. Ersatzkleidung nicht dabei.

Nachdem der Katheter gelegt war, war es anfangs bei der Bestrahlung recht einfach den Blasenfüllstand mit dem Katheter zu kontrollieren. War zuviel drin, einfach öffnen und ein bisschen ablassen.

Allerdings folgte jetzt auch die schlimmste Zeit. Denn es passierte immer wieder das der Katheter "verstopfte" und ich massive Probleme mit der Entleerung bekam. Es waren immer so ekelige lange Blutfäden die sich den Weg durch den Katheter suchten. Alles normal laut Ärzte.

Die Verstopfung war dann so schlimm das ich manchmal kurz davor war den Notarzt zu rufen. Im Rhythmus von vielleicht immer wieder drei Stunden, floss der Urin und dann wieder nicht für drei Stunden und das über einige Wochen hinweg. In dieser Zeit wenn es nicht floss, erlitt ich Höllenqualen. Ich musste dringend, ganz dringend, aber es lief nichts und das für drei Stunden. Welch Qual, Blut und Wasser geschwitzt. Hilflosigkeit machte sich bei uns breit. Spülungen mit Kochsalzlösungen brachten nur vereinzelt einen Erfolg. Oft schied dann die Kochsalzlösung direkt durch die Harnröhre aus, ohne das aber sich meine Blase entleeren konnte. Über Wochen keine Nacht durchgeschlafen.

Am Ende der Bestrahlung war die Erleichterung schon groß und es war ein tolles Gefühl die Glocke zum Abschluß zu läuten, aber die Probleme hielten noch rund zwei Wochen nach der Bestrahlung an.

Und dann plötzlich, zwei Tage vor meinem 50. Geburtstag, wurde es besser. Mein schönstes Geschenk!

15. März 2017

Die Sache mit den Wünschen

Wünsche sind nie klug. Das ist sogar das beste an ihnen.

Charles Dickens

Ich habe bereits von meinen Wünschen bzw. Träumen berichtet, welche ich Anfang 2016 für mich festhielt und unbedingt angehen wollte.

Heute weiß ich nicht mehr wie ich 2 dieser 3 Wünsche überhaupt gepackt habe. Denn diese setzten eine gute körperliche Konstitution voraus. Zum damaligen Zeitpunkt (kurz nach der Bestrahlung und Anastomosenstriktur-OP) war ich rückblickend betrachtet doch sehr geschwächt. Aber der Wille kann bekanntermaßen Berge versetzen.

Und ich wollte es so sehr, denn wir befanden uns noch in einer Zeit der großen Verunsicherung. Mir war nicht klar wie das Jahr verlaufen und ob ich jemals wieder die Chance bekommen würde, diese Träume anzugehen. Also musste es einfach jetzt und hier sein!

[su_heading]1. Traum[/su_heading]
Ein Traum war es noch einmal eine Motorradtour in die Alpen zu machen. Ich konnte gerade mal einigermaßen ohne Schmerzen auf dem Motorrad sitzen. Das aufsteigen ging dabei aufgrund der Höhe des Motorrads nicht so leicht, da es immer wieder in der Gegend der OP und Bestrahlung unangenehm zwickte. Das bedeutete: sitzen bleiben und fahren und fahren und fahren!
In 4 Tagen fuhr ich dann 1400 KM, unzählige Pässe, den ganzen Tag Berg rauf, Berg runter. Es war eine Mega-Tour und das mit meinem neuen Motorrad, welches ich während der Behandlungsphase Anfang 2016 kaufte. Jetzt freue ich mich bereits auf die nächsten Touren.

[su_heading]2. Traum[/su_heading]
Der zweite Traum, von diesem habe ich noch gar nicht berichtet, war ein (Tandem-) Fallschirmsprung. Ich weiß gar nicht wie ich überhaupt auf diese Idee kam. Das war für mich nie ein Wunsch, aber es schoss mir halt irgendwann einfach so in den Kopf und ich wollte es unbedingt machen. Gesagt, getan. Im Nachhinein würde ich es allerdings nicht wieder machen. Das Gefühl aus dem Flugzeug in diese Leere zu springen war für mich nicht so erhaben. Auch wenn ich körperlich geschwächt war, glaube ich nicht das das Gefühl des Sprungs bzw. Fallens viel anders gewesen wäre. Heute sage ich zu Madeleine: "Bitte versuche mich in Zukunft von solchen Ideen abzubringen."

[su_youtube url="https://youtu.be/JJuyMmFCAe4" width="800"]

[su_heading]3. Traum[/su_heading]
Der letzte Traum war ein Tattoo. Im Vergleich zu den anderen Wünschen körperlich bei weiten nicht so anstregend, dennoch genauso wichtig. Ich habe die Namen meiner zwei Liebsten auf meine beiden Armen tätowieren lassen. Inzwischen habe ich ein weiteres Tattoo und es werden sicherlich noch weitete folgen.

1. Oktober 2018

1. Oktober 2015

Heute vor drei Jahren begann mit meinem allerersten Besuch bei einem Urologen diese, meine Reise durch die chaotische Gefühlswelt einer bösartigen Krebserkrankung.

Immerhin dauert diese nun schon drei Jahre an, gefühlt ist diese Reise deutlich länger.

Ein trockener Orgasmus war der Anlass des Besuches. Der Urologe meinte noch im ersten Gespräch: "Sie wissen doch wie das im Alter bei uns Männern so ist!". Ne, wusste ich bis dato nicht!

Raus kam dann keine altersbedingte Einschränkung, sondern ein hochagressiver Prostatakrebs, welcher bereits aus der Prostata ausgetreten ist. Geblieben ist, abgesehen von den mentalen Defiziten und körperlichen Beeinträchtigungen, vor allem Inkontinenz und Impotenz. Die Inkontinenz konnte ich durch ein künstliches Implantat (Sphinkter) in den Griff bekommen. Gegen die Impotenz ist nichts zu machen. Dies hat natürlich Auswirkungen, nicht nur auf mein eigenes Leben.

Aber das wichtigste bleibt: das Leben.

Ich würde auch immer wieder dem gleichen Behandlungsplan, so wie durchgeführt, zustimmen. Wobei es mangels Alternative auch keine andere Wahl gab, ausser vielleicht erst mit einer Chemo zu beginnen. Das Ergebnis und die bleibenden Einschränkungen wären geblieben. Der Weg mit einer Chemo wäre sehr wahrscheinlich beschwerlicher geworden.

Wäre, wäre Fahrradkette. Wissen tut man nichts!

Der Arzt meinte ziemlich deutlich auf meine Frage was passiert, wenn ich nichts unternehme, "sie haben vielleicht noch 6 Monate". Auch das bleibt hypothetisch, aber es zeigt auch wie verdammt eng es war und wie glücklich ich mich schätzen kann meinen Hals noch aus der Schlinge befreit haben zu können.

C'est la vie.

1. Oktober 2020

Fünf, Freude, Schmerz

Fünf
Genau heute vor fünf Jahren ging meine PCa-Odyssee mit dem überhaupt allerersten Besuch bei einem Urologen los. Viele weitere Besuche, Behandlungen und Therapien folgten. Eigentlich wollte ich jetzt von bestimmten Dinge aus den letzten Monaten schreiben, aber die Ereignisse der letzten zwei Tage machte das hinfällig.

Freude
Es fällt mir dieses mal gar nicht so leicht über den weiter nicht nachweisbaren PSA Wert zu jubeln. Ja, ich habe heute morgen das positive Ergebnis mitgeteilt bekommen. Ist natürlich toll und die Freude ist schon riesig darüber. Warum?

Schmerz
Weil wir vorgestern unsere alte Hundedame verloren haben. Der Schmerz darüber, überwiegt dieses mal der Freude über den niedrigen PSA Wert. Motte war ein besonderer Hund, weil eben anders als andere Hunde. Sie brachte uns viel Liebe und Spaß aber auch Sorgen ins Haus. Denn sie ist mir, gleich nachdem sie 10 Tage bei uns war, beim Gassi gehen entwischt. Sie war dann 6,7 Monate sozusagen auf der Flucht. Zwar fast immer in der Nähe unserer Ortschaft, aber zu verängstigt wieder nach "Hause" zu kommen. An Ende ging alles gut aus, denn wir konnten sie einfangen. Diese Erfahrung und die Zeit danach, vorallem ihr Vertrauen erlangt zu haben, war eben etwas besonderes.

Vielleicht hab ich mich auch schon zu sehr an diese alle-3-Monaten-positive-Nachricht gewöhnt. Was natürlich wiederum Quatsch ist, da ich genau weiss was ein erneutes aufflammen des Wertes bedeuten würde.

Genau das wurde mir diese Woche auch noch vor Augen geführt. Eine Facebook Freundin, die ich auch zweimal kurz persönlich traf, starb kürzlich an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Da ich bereits seit einiger Zeit nichts mehr von ihr gehört und gelesen hatte, hatte ich genau das bereits befürchtet. Vor zwei Tagen, am gleichen Tag als uns nachts die Motte verließ, habe ich dann durch einen FB-Post die traurige Gewissheit über ihren letzten Gang über die Regenbogenbrücke, so bezeichnete sie es, erfahren.

Sie hat mich besonders beeindruckt, weil sie mit ihrer eigenen Situation und die ihres Partners, ebenfalls an Prostatakrebs erkrankt - wodurch wir uns überhaupt kennen lernten, umging. Eine Kämpferin die nie den Mut verlor, immer nach vorne blickte ohne zuviel Wehmut und ohne großes Klagen. Eine inspirierende Persönlichkeit, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, im Bestreben es ihr im Umgang mit dem Krebs gleich zu tun.

6. November 2022

Neues Thema – Alter Hut

Bereits im Sommer 2014 musste ich, überwiegend bedingt durch die gesundheitliche Entwicklung meiner Schwester, eine erste depressive Phase durchmachen.

Damals war meine Diagnose Burnout. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hätte nie gedacht dass ich jemals in die Situation komme nichts mehr leisten zu können und hilflos zu sein.

Aber zuviel war einfach zuviel.

Ich nahm eine Psychotherapie in Anspruch und versuchte wieder Kraft zu finden. Nach 6 Monaten dachte ich, diese wieder gefunden zu haben und ging zurück zur Arbeit, zurück in den Alltag. Mein Arbeitgeber hatte Verständnis für meine Situation und ließ mich langsam wieder zurück finden.

Heute weiss ich, es war zu früh. Ich glaube sogar das diese depressive Phase, und der kurz danach auftretende Tinnitus, die ersten Folgen meiner eigenen Krebserkrankung waren. Die Zeichen habe ich damals aber nicht erkannt. Die Diagnose folgte dann ein paar Monate später. Ein langer Leidensweg stand vor mir, vor uns. Dieser hält auch heute noch an. 8 Jahre später stehe ich wieder vor einer neuen Herausforderung. Diagnose diesmal: mittelschwere Depression.

Jetzt heißt es wieder: kämpfen! Manchmal ist es überraschend wo die Kraft für das ständige kämpfen herkommt. Auch wenn ich zuletzt Zweifel hatte, ob ich noch die Kraft zum kämpfen habe, bin ich jetzt wieder zuversichtlich auch diese Phase zu meistern, auch wenn der Weg lang und steinig ist.