30. Januar 2017
Getriggert durch einen sehr guten Freund habe ich mich überwunden einen Ausflug nach Hamburg zu machen. Anlass war das Spiel vom VfB beim St.Pauli, verbunden mit einem Besuch bei der Hamburger Familie. Schließlich sind es nun auch schon sieben Jahre her seit meinem letzten Besuch in Hamburg. Außerdem waren die letzten Familien Wiedersehen nur aufgrund trauriger Anlässe. Also diesesmal ein Wiedersehen ohne Trauerfeier.
DB Sparticket bereits im Dezember gekauft. Sollte ich mich doch nicht fühlen oder es aus anderen Gründen nicht klappen, dann tun die €45 für die Fahrkarte nicht so weh.
Leider klappte es im Vorfeld nicht mit einer Eintrittskarte über die VfB Mitgliedschaft, so dass es nicht klar war ob ich es am Ende überhaupt zum Spiel schaffe. Um es vorweg zu nehmen, es klappte über die FC St.Pauli Ticketbörse.
Vor dem Antritt der Reise hatte ich doch Bedenken. Schaffe ich das, wird mir das nicht zuviel? Am Ende hat es aber sehr gut geklappt, ich bin über mich heraus gewachsen und habe am Ende viel von meiner Kraft, Zuversicht zurück gewonnen. Auch wenn 2 meiner 3 Hosen am Ende feucht waren, weil ich ausgelaufen bin, habe ich wieder grosse Lust verspürt die Welt zu erobern. Ich bin spontan alleine von Ottensen zu den Hamburger Landungsbrücken gelaufen, mit dem Boot gefahren. Es war herrliches Wetter einfach schön. Immer weiter gegangen bis ich an der Elbphilharmonie gelandet bin. Eine kleiner Ausflug für die meisten, ein riesen Schritt für mich. Es war einfach so viel Lust dabei immer weiter zu gehen und den Moment zu genießen.
Zweimal bin ich spät ins Bett, habe einiges an Alkohol getrunken. War aber am nächsten Tag wieder einigermaßen fit. Natürlich müde aber nicht so erschöpft wie so oft im letzten Jahr. Ein befreiendes Gefühl. Ein tolles Gefühl. Ich hatte Angst so etwas nicht mehr erleben zu können. Etwas nicht mehr so geniessen zu können.
Dann das Fussballspiel. Tolle und vorallem so liebe Menschen um mich herum. Viel Spass, meine Gedanken freien Lauf lassend und den Moment das hier und jetzt geniessend. Einfach schön. Dann noch gewonnen.
Viele Gespräche geführt ohne erschöpft zu sein. Natürlich hat sich der Tinnitus bemerkbar gemacht, auch mal deutlicher, aber ich war nicht komplett platt.
Für mich war der Ausflug auf alle Fälle ein Meilenstein, ein grosser Schritt vorwärts.
Dann die lieben Menschen um mich herum.
Vorallem meine Lieblingstante, die mich von hinten bis vorne verwöhnt hat. Sie hat es selbst nicht leicht, war aber ständig dabei mir es so gemütlich und angenehm zu machen. Danke dafür Chrischi. Das war ganz besonders für mich.
Thomi meine Cousin, der trotz einiger belastenden Umstände, es sich nicht hat nehmen lassen aus Essen anzureisen, um mich zu sehen und mich als eingefleischter St.Pauli Fan zum Spiel zu begleiten. Die vielen Gespräche, das gegenseitige frotzeln hat mir gezeigt das ich auch solche Situationen überstehen kann ohne zusammenzubrechen. Klingt härter als es war, aber meine Psyche war/ist angegriffen. Ich bin nah am Wasser gebaut, deshalb gut zu sehen das ich das packe, auch wenn das frotzeln fast ausnahmslos spaßig gemeint war.
Miki, mein ewig jung gebliebener Onkel. Der Verrückte im positiven Sinne. Ich habe mich wahnsinnig gefreut dich zu sehen, das auch Du mit zum Spiel bist hat mir viel bedeutet. Wir haben uns nur kurz gesehen, nur kurz intim gesprochen, aber es hat mir viel bedeutet. Deine feuchten Augen zu sehen als wir kurz über unsere traurigen Familiengeschichte sprachen, zeigt mir wie verbunden wir sind, auch wenn wir sonst wenig Kontakt haben.
Leni und Henri die zwei jüngsten in der Familie. Zwei liebe Kinder die mir auch viel Kraft gaben und die Familienbande haben spüren lassen. Wir kennen uns kaum, aber ich verspürte keine Berührungsängste, sondern eine starke Nähe.
Floh und Susanne auch zwei ganz Liebe. Leider war mein Besuch dann doch wieder vom Tod überschattet. Auch wenn ich Susannes Papa nicht kannte und es abzusehen war, ist jeder Verlust schmerzlich. Kopf hoch und freut euch über eure zwei tollen Kinder. Liebe und Herzlichkeit sind das wichtigste und davon haben die beiden ganz viel.
Last but not least mein Dritter Cousin Stebi und Ute inklusive, im wahrsten Sinne grossen (> 1.85 m) Anhang. Der Abend bei euch war sehr schön. Auch hier hatte ich Bedenken im Vorfeld, ob und wie ich das packe. Es war unbegründet. Es war ein sehr schöner Abend in einem sehr vertrauten Umfeld. Eure drei Kinder sind auch was ganz besonderes. Wir hatten wenig Kontakt über die letzten Jahre, Jahrzehnte, aber ihr gabt mir alle ein Gefühl willkommen zu sein und ein Teil von euch zu sein. Danke.
Leider hat sich unsere Familie in den letzten Jahren schmerzlich verkleinert. Es gab nicht nur Verluste sondern auch grosse Enttäuschungen, aber ihr habt mir alle gezeigt das da noch viel mehr ist. Das tat verdammt gut.
Aber es gibt nicht nur Familie, sondern auch sehr gute Freunde. So habe ich noch meinen Ex-Kollegen und langjährigen VfB Kumpel wieder getroffen. Der Abend mit dir war sehr schön und ich freue mich schon auf die nächsten gemeinsamen VfB Spiele. Das wir gewonnen haben hat das ganze Wochenende noch perfekt abgerundet.
Jetzt freue ich mich aber auf zu Hause, auf meine Liebsten. Sie haben mir gefehlt.
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7. Februar 2017
Kaum zu glauben das es schon zwei Jahre her ist das du uns für immer verlassen hast. Es ist viel passiert, viel Schlechtes, aber auch einiges Gutes. Auf das Gute müssen wir blicken um die Zukunft positiv gestalten zu können.
Aber der unsägliche Schmerz den wir als Familie haben ertragen müssen bleibt für immer in uns. Es ist noch immer nicht zu verstehen was wir erleben mussten. Dennoch stelle ich mir nicht die Frage "Warum uns?" "Warum so?". Darauf gibt es einfach keine Antwort. Es ist unser Schicksal mit dem wir zu leben lernen müssen.
Das ist das letzte gemeinsame Bild von uns. Ich erinnere mich noch genau. Es war an deinem 50. Geburtstag. Ein letztes gemeinsames Abendessen im großen Kreise der Familie.
Du warst so tapfer und stark dieses Ereignis auf dich zu nehmen. Ich weiß nicht was du in diesem Moment gefühlt, vielleicht sogar geahnt hattest. Aber du hast es uns nicht spüren lassen. Du bist eine unheimlich starke Schwester auf die ich immer stolz blicken werde.
Kurz danach musstest du auf die Palliativstation. Eigentlich nur für eine Woche geplant, aber leider war es dir nicht vergönnt nochmal nach Hause zu kommen. Die Unterstützung der Palliativstation war für dich sicherlich unter dem Gesichtspunkt deiner gesundheitlichen Versorgung eine große Hilfe.
Aber als du mir dreimal ins Ohr flüsterste ”Komm wir fahren jetzt nach Hause" blutete mein Herz. Zwar antwortete ich damit das dein zu Hause da ist, wo wir alle gerade zusammen sind (ich habe das von Julia übernommen). Es klang in diesem Moment passend, weil wir auch so hilflos waren und es nicht mehr ändern konnten. Ich fühle mich aber bis heute nicht gut damit.
Ich hätte dich so gerne nach Hause gebracht, aber es ging nicht mehr. Es war zu spät und du so geschwächt. Es tut mir so leid, Tini.
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6. November 2022
Bereits im Sommer 2014 musste ich, überwiegend bedingt durch die gesundheitliche Entwicklung meiner Schwester, eine erste depressive Phase durchmachen.Damals war meine Diagnose Burnout. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hätte nie gedacht dass ich jemals in die Situation komme nichts mehr leisten zu können und hilflos zu sein.
Aber zuviel war einfach zuviel.
Ich nahm eine Psychotherapie in Anspruch und versuchte wieder Kraft zu finden. Nach 6 Monaten dachte ich, diese wieder gefunden zu haben und ging zurück zur Arbeit, zurück in den Alltag. Mein Arbeitgeber hatte Verständnis für meine Situation und ließ mich langsam wieder zurück finden.
Heute weiss ich, es war zu früh. Ich glaube sogar das diese depressive Phase, und der kurz danach auftretende Tinnitus, die ersten Folgen meiner eigenen Krebserkrankung waren. Die Zeichen habe ich damals aber nicht erkannt. Die Diagnose folgte dann ein paar Monate später. Ein langer Leidensweg stand vor mir, vor uns. Dieser hält auch heute noch an. 8 Jahre später stehe ich wieder vor einer neuen Herausforderung. Diagnose diesmal: mittelschwere Depression.
Jetzt heißt es wieder: kämpfen! Manchmal ist es überraschend wo die Kraft für das ständige kämpfen herkommt. Auch wenn ich zuletzt Zweifel hatte, ob ich noch die Kraft zum kämpfen habe, bin ich jetzt wieder zuversichtlich auch diese Phase zu meistern, auch wenn der Weg lang und steinig ist.
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