Thema:

Depression

1. Juni 2022

Nein, ich bin nicht gesund

Getrieben, unsicher, verloren...habe ich mir die letzten Jahre einreden lassen gesund zu sein.

Am Ende führte dies jetzt dazu das ich wieder arbeitsunfähig bin.

Es fing bereits am Ende des ersten Jahres (2018) an, als ich zu meinem Arbeitgeber zurückgekehrt (reduzierte Arbeit) bin. Als es zur Bewertung meiner Leistung im zurück liegenden Jahr kam, wurde mir eine Bewertung geben, welcher ich nur schwer zustimmen und vorallem verarbeiten konnte. Im Gespräch wurden mir gegenüber folgende Aussagen getroffen:

  • „Wer arbeitet ist gesund“ (klingt wie ein Spruch aus einer längst vergangenen dunklen Zeit)
  • „Deine spezielle Situation (Krankheit) können wir deshalb nicht berücksichtigen, das wäre anderen (gesunden) Kollegen gegenüber unfair“
  • „Wenn ich eine bessere Bewertung haben möchte, könnte ich mich weiter abstufen lassen, das hätte eine bessere Bewertung zur Folge“

Für mich eine Demütigung.

Wenn man bedenkt das ich zu diesem Zeitpunkt eine Schwerbehinderung von 80 hatte, ist es auch heute rückblickend noch eine Kränkung so etwas zu hören.

Für die Rückkehr in die Arbeitswelt habe ich ja bereits eine reduzierte Arbeitszeit, verbunden mit finanziellen Kürzungen, eine Abstufung der internen Laufbahnstufe, wiederrum verbunden mit Kürzung von Sozialleistungen vereinbart...

Und selbst wenn man jetzt den Aussagen meines Arbeitgebers zustimmen möchte, warum hat niemand während meines angeblichen Leistungsabfall dies direkt zeitnah mir gegenüber angesprochen? Warum hat man dies ignoriert bzw nicht erkannt und angesprochen, statt es erst Monate später im Mitarbeitergespräch als nicht zu diskutierenden Fakt auszulegen?

Nennt man das fehlende Empathie, schlechte Vorgesetzte oder Willkür?

Heute in der Nachbetrachtung hätte ich damals bereits die Reißleine ziehen müssen, statt es über mich ergehen zu lassen und fünf Jahre zu warten bis mich das ganze wieder einholt.

6. November 2022

Neues Thema – Alter Hut

Bereits im Sommer 2014 musste ich, überwiegend bedingt durch die gesundheitliche Entwicklung meiner Schwester, eine erste depressive Phase durchmachen.

Damals war meine Diagnose Burnout. Ich konnte einfach nicht mehr. Ich hätte nie gedacht dass ich jemals in die Situation komme nichts mehr leisten zu können und hilflos zu sein.

Aber zuviel war einfach zuviel.

Ich nahm eine Psychotherapie in Anspruch und versuchte wieder Kraft zu finden. Nach 6 Monaten dachte ich, diese wieder gefunden zu haben und ging zurück zur Arbeit, zurück in den Alltag. Mein Arbeitgeber hatte Verständnis für meine Situation und ließ mich langsam wieder zurück finden.

Heute weiss ich, es war zu früh. Ich glaube sogar das diese depressive Phase, und der kurz danach auftretende Tinnitus, die ersten Folgen meiner eigenen Krebserkrankung waren. Die Zeichen habe ich damals aber nicht erkannt. Die Diagnose folgte dann ein paar Monate später. Ein langer Leidensweg stand vor mir, vor uns. Dieser hält auch heute noch an. 8 Jahre später stehe ich wieder vor einer neuen Herausforderung. Diagnose diesmal: mittelschwere Depression.

Jetzt heißt es wieder: kämpfen! Manchmal ist es überraschend wo die Kraft für das ständige kämpfen herkommt. Auch wenn ich zuletzt Zweifel hatte, ob ich noch die Kraft zum kämpfen habe, bin ich jetzt wieder zuversichtlich auch diese Phase zu meistern, auch wenn der Weg lang und steinig ist.

2. Juli 2023

Bauchgefühl

Folgende Anekdote zur Endoskopie:

Diese hat nur stattgefunden hat, weil ich hartnäckig blieb und meinem Bauchgefühl gefolgt bin.

Aufgrund meiner 18-monatigen Auszeit wegen Depression, wurde mir eine Reha bewilligt. Ich hätte diese am 31.5. antreten müssen. 5 Wochen oder länger je nach Verlauf, im Allgäu (also auch noch weit weg).

Ich habe es abgelehnt, da ich meine Mutter nicht für 5 Wochen nicht sehen wollte. Ich weiss nicht ob sie mich danach noch erkannt hätte. Ich wollte das nicht riskieren. Mir ist bewusst, das dies irgendwann - in nicht allzu großer Ferne - sowieso eintreten wird. Nur forcieren muss man es auch nicht.

Zum anderen hatte ich meine Magen-/Darmspiegelung für den 5.6. terminiert. Ich hatte bereits zwei Monate auf diesen Termin gewartet.

Nicht auszudenken was passiert hätte können (nachweisbare Fernmetastasen, spürbare Symptome), hätte ich den Termin nochmals um mehrere Wochen verschoben.

Deshalb immer auf das eigene Bauchgefühl hören und sich nicht von aussen beeinflussen lassen und nachgeben.

14. Juli 2023

Der Anti-Held

Seit April 2022 nehme ich Antidepressiva aufgrund meiner angeschlagenen Psyche ein. Zwar die niedrigste Dosis um überhaupt etwas zu bewirken. Ob es hilft? Schwer zu sagen.

In dieser Phase habe ich mir dann oft Gedanken gemacht, ob ich wieder die Kraft für einen neuerlichen Kampf gegen den Krebs aufbringen könnte. Ich hatte meine Zweifel, es gab kein klares Ja.

Als nun die Diagnose Darmkrebs da stand, war es so als ob ein interner Schalter umgestellt wurde. Natürlich habe ich die Kraft, den Willen, mich wieder dieser Herausforderung zu stellen - keine Zweifel.

Als ich direkt nach der Diagnose für weitere Untersuchungen für eine Nacht stationär im Krankenhaus bleiben musste, gab ich unbewusst die Hälfte der einzunehmenden Dosis an.

Das war nun eher unbewusst, der Einstieg in den Ausstieg der Anti-Depressiva.

Mein Psychologe meinte zuvor, das wenn ich das Medikament mal irgendwann absetzen will, ich die Dosis zuerst für einen Monat halbieren soll, bevor ich die Einnahme ganz beende.

Inzwischen habe ich das Medikament komplett abgesetzt und es geht mir gut. Wobei ich sicherlich durch den positiven Verlauf der Behandlung von Glückshormonen nur so überflutet werde. Ich hoffe das hält noch länger so an...

22. Juli 2023

Kein leichter Weg

“Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“

Aus eigener Erfahrung hat es bei mir Jahre gedauert bis ich einigermaßen verstehen konnte was die Ärzte mit “Es geht nicht um Heilung, es geht nur um das sichern der Lebensqualität“ meinten.

Du benötigst einen kleinen Personenkreis, vertraute, liebgewonnene Personen aus der Familie, Freunde und Ärzte die dir helfen mit den Herausforderungen nach einer radikalen Prostataektomie zurechtzukommen.

Den überwiegenden Teil deines Freundes- und Familienkreis kannst du abhacken. Viele nehmen nicht wirklich an deiner Geschichte teil, sie fragen nur weil sie es müssen, nicht weil sie es wirklich wollen. Sie hören dir nicht zu, geben dir keine Möglichkeit dich mitzuteilen. Es ist schon sehr traurig wenn man sich mit unbekannten Personen, zb. Handwerkern, intensiver und empathischer austauschen kann, als mit alten Seilschaften! Es ist leider so.

Also mit einem engen Personenkreis, die dich moralisch unterstützen, kannst du auch schwere Umstände, wie eine Inkontinenz und Impotenz, meistern. Es dauert aber mitunter Jahre.

Thema Impotenz: Sex ist für die meisten, fast allen, wichtig. Viel wichtiger ist aber das Leben. Leben ohne Sex funktioniert - Sex ohne Leben aber nicht!!! Sofern ein verständnisvoller Partner an der Seite und die Familienplanung abgeschlossen ist, dann ist es leichter damit umzugehen. Wobei es auch dann eine mentale Belastung bleibt. Es ist eben nicht einfach sich der über ein ganzes Leben aufgebauten Ideologie "der Mann, das starke Geschlecht" oder der schwanz gesteuerten Ausrichtung des männlichen Denkens entgegen zu stellen.

Ein Mann kann zwar einen (trockenen) Orgasmus - auch ohne Erektion! - bekommen. Naja, ganz trocken ist dieser dann auch nicht, sofern Inkontinenz eine Rolle spielt. Dann kommt halt Urin mit raus. Orgasmus bleib dabei nicht Orgasmus - ist natürlich nicht zu vergleichen.

Der Verlust der Männlichkeit nagt an meinem Selbstvertrauen. Ich fühle mich in diesem Sinne nicht mehr als Mann. Mann bringt es einfach nicht mehr. Mann fühlt sich schwach, minderwertig. Der Verlust der sexuellen Leistungsfähigkeit, ist auch ein Verlust von Selbstbewusstsein. Dies wiederum hat verschiedene Auswirkungen auf den Beruf, Fähigkeiten Freundschaften zu halten etc.

Es gibt zwar Spritzen oder Implantate (AMS700 - Pumpe für künstliche Schwellkörper) die Abhilfe schaffen könnten. Wobei das Ergebnis natürlich auch nicht mit einer echten Erektion zu vergleichen ist. Hilft dem einen oder anderen sicherlich. Mir jedoch nicht. Wer will sich schon eine Spritze in den Penis setzen oder erst pumpen ("Pump-up-your-Penis") vor einem sexuellen Akt? Dann lieber keinen Sex, als sich schlecht zu fühlen, zu merken du bringst es einfach nicht mehr.

Ist ziemlich egoistisch ich weiß. Umso wichtiger einen Partner zu haben, die das akzeptiert und ebenfalls, so wie man selbst, andere Eigenschaften einer Beziehung in den Mittelpunkt stellt.

Wenn du zudem in einem Umfeld arbeitest (Teil eines japanisches Konzerns), wo das "Mann sein" noch ausgeprägter ist, als bei uns in der deutschen Gesellschaft, so setzt dies einem noch mehr zu, sich nicht mehr gleichwertig fühlen zu können. Ich habe es live miterlebt wie traditionelle japanische Männer in der Gesellschaft die Rolle des starken Mannes prägen, ausleben und raushängen lassen. Viel von dem spielt sich im eigenen Kopf ab, man spürt und sieht Dinge und Verhalten anderer und interpretiert. Klar das dies auch Auswirkungen auf deine Psyche hat.

Wenn dann dein Arbeitgeber auch noch sagt, “wer bei uns arbeitet ist gesund“ und “dich und deine Situation anders zu bewerten, wäre den anderen Kollegen gegenüber unfair“ ist mehr als ein Schlag in die Magengrube. Ein solcher Vergleich ist nicht korrekt, denn jemanden mit einer Schwerbehinderung (80%) mit einem gesunden Kollegen zu vergleichen, ist schon moralisch betrachtet falsch. Aber es gibt leider solche Menschen die das tun - unser Geschäftsführer war leider so einer. Schlimmer Mensch.

Thema Inkontinenz: auf eine öffentliche Toilette zu gehen, um erst durch drücken des Sphinkters im Skrotum urinieren zu können, führt zu Beginn zu unbehagen. Mann fühlt sich ständig beobachtet.

Fazit: die Prostata ist ein Teil des männlichen Geschlechtsorgans. Eine Entfernung hat immer etwas mit der besagten Männlichkeit zu tun und kann somit erheblichen Einfluss auf das restliche Leben haben. Wer sich dem stellt und dies akzeptiert, hat gute Chancen mit dem Leben zurecht zu kommen. Unter der Voraussetzung, das der Tumor erfolgreich behandelt wurde und kein Rezidiv entsteht und man ein Umfeld mit empathischen Menschen hat.