16. Oktober 2017
Als meine Behandlung abgeschlossen war, hatte ich drei Wünsche.
Ein Wunsch war nochmal eine Motorradtour machen zu können. Nun habe ich nicht nur eine, sondern bereits drei Touren machen dürfen/können. Und ich hoffe natürlich das es noch mehr werden, vielleicht auch mal eine Tour mit meinem Sohn. Auf alle Fälle geniesse ich jede Tour in vollen Zügen, mit dem Wissen es könnte die letzte sein. Auch wenn dieser Gedanke ehrlicherweise keine grosse Rolle spielt, so kommt dies doch ab und an in mein Bewusstsein. Ich denke das ist ganz normal, denn die Krebsgeschichte komplett und ständig auszublenden ist mir (noch) nicht möglich.
Relevante Themen:
3. November 2017
Welch erhabenes Gefühl die Glocke zum Ende der Bestrahlung (33 tägliche Anwendungen) läuten lassen zu können. Glücklich aber auch sehr erschöpft. Und wenn ich mich heute sehe, rund 1 1/2 Jahre danach, erschrecke ich mich. Ich war doch recht dünn und blass.
Empfand ich damals gar nicht so, was sicherlich auch an den anderen Bestrahlungspatienten lag. Denn es gab einige, die weitaus geschwächter waren und zum Teil nicht mehr gehen konnten oder andere körperliche Beeinträchtigungen hatten. Ich war ja abgesehen von der Geschichte mit den Katheter zumindestens körperlich in einem zufriedenstellenden Allgemeinzustand.
Relevante Themen:
10. Dezember 2017
Nun habe ich also dieses Implantat in mir. Noch wurde es nicht aktiviert, somit kann ich über Erfolg oder Misserfolg nichts erzählen.
Aber es ist drin und es verändert mein Körper in einer Art und Weise an die ich mich noch gewöhnen muss. Ich hoffe ich werde es. Sobald der Sphinkter mal aktiviert wird und dieser dann hoffentlich auch funktioniert, akzeptiere ich die Veränderung vermutlich einfacher.
Was hat sich verändert?
Nun, der Auslöser um den Schliessmuskel zu aktivieren liegt im Skrotum. Diesen Auslöser nehme ich jetzt allerdings deutlich größer wahr als ich diesen im Vorfeld als Testobjekt vor mir liegen sah. Ein Unterschied ist das der Auslöser an einem Schlauch angebunden ist, dieser fehlte am Testobjekt (siehe Bild).
Es fühlt sich befremdlich an, so etwas im Skrotum liegen zu haben. In einem für Männer sehr sensiblen Bereich, steckt jetzt ein fremdes Objekt drin. Ich fühle mich wie RoboCop im Genitalbereich.
Vielleicht ist nur eine gewisse Zeit nötig um mich daran zu gewöhnen, aber es ist auch ein weiterer Schritt zum Verlust der Männlichkeit.
Vom Hersteller dieses Systems gibt es ein weiteres System welches auf ähnliche Art und Weise eine "künstliche" Erektion des Glieds steuern kann. Dazu bedarf es zusätzlicher "Einlagen" im Penis, die dann anstatt bzw wie die eigentlichen Schwellkörper fungieren. Oh Gott, für mich unvorstellbar. Das klingt dann nicht mehr nach Robocop sondern Terminator.
Relevante Themen:
18. Januar 2018
Ein unfassbares Gefühl. Endlich wieder trocken - nach über zwei Jahren!
Ein kleiner Schritt für Kleinkinder, ein grosser Schritt für mich!
Ich benötige noch etwas Eingewöhnungszeit um die Bedienung des Sphinkters zu erlernen und zu verbessern, aber alleine die ersten Schritte mit dem Wissen es läuft nichts mehr raus, waren fast unbezahlbar. Ein Highlight für mich auf dieser inzwischen über 2-jährigen Reise.
Ich freue mich schon auf den Moment endlich ohne Einlage meinen Alltag begehen zu können. Dazu traue ich mich im Moment aber noch nicht.
Relevante Themen:
29. Januar 2018
Jetzt habe ich endlich den künstlichen Schliessmuskel aktiviert bekommen, und die Lebensqualität hat sich dadurch auch erhöht, aber meine allgemeine Leistungsfähigkeit stagniert. Das nervt!
In der Vergangenheit habe ich diese Situation bereits mit dem Akku eines Staubsaugers verglichen: nach dem Ladevorgang wird zwar ein voller Akku-Stand angezeigt, aber nach kurzer Zeit macht der Staubsauger dann schon wieder schlapp.
So ist es mit mir auch. Zum frühen Nachmittag bin ich meistens schon wieder ausgepowert. Ab 14 Uhr ungefähr benötige ich meistens eine Auszeit. Danach reicht es dann nochmal für eine Runde Gassi gehen, mehr aber auch nicht.
Es geht schon so weit das ich nicht mal aufs Motorrad steige, obwohl heute ein schöner Tag (Sonne / 12 Grad) ist. Gut, es gibt genug Gründe es nicht zu tun, aber diese erscheinen am Ende eher als Ausrede. Wäre ich fit, gebe es eigentlich kein Halten. Höre ich dann ein Motorrad aus der Ferne, dann blutet das Herz.
Aber ich verfalle nicht in Panik. Ich habe die Geduld zu warten, das habe ich gelernt. Dennoch arbeitet das Hirn und ich versuche mir zu erklären warum es nicht besser wird. Eine vage Erklärung habe ich, aber keine klare Antwort.
Immerhin arbeite ich jetzt auch schon wieder 7 Monate und ich dachte das das tägliche arbeiten hilft die Leistungsfähigkeit durch die Regelmäßigkeit zu erhöhen. Aber dieser Effekt bleibt aus, aber diesen kann ich mir zumindest selbst erklären. Es gibt folgenden bekannten Spruch zum Thema Arbeit: "Manche leben um zu arbeiten, andere arbeiten um zu leben." Bei mir gilt definitiv letzteres. Arbeit ist nur noch eine Pflicht. Es könnte vielleicht Spaß machen, aber nicht so wie es zur Zeit läuft. Details erspare ich mir hier lieber.
Ich weiß ich bin in den letzten zwei Jahren in solchen Angelegenheiten hoch sensibel geworden. Aber wenn wundert das, geht glaube ich den meisten so. Ich bin wahnsinnig ungeduldig und Stillstand ertrage ich nicht. Auch das schließe ich auf den Umstand zurück, daß ich in den letzten zwei Jahren harte Entscheidungen treffen musste. Stillstand oder keine Entscheidung zu treffen hätten mich mit Sicherheit nicht in diese eigentlich gute Situation, trotz beschissener Ausgangslage, gebracht.
Also Kopf hoch und durch. Vielleicht fehlt mir für die innere Ausgeglichenheit nur ein wenig Vitamin D. Für Nachschub habe ich heute immerhin gesorgt!
Relevante Themen:
8. März 2018
Es fühlt sich jedesmal unbeschreiblich toll an, wenn mir per Telefon die Nicht-Nachweisbarkeit meines PSA Wertes mitgeteilt wird.
Allmählich falle ich in den Zeitraum, das dieser Test-Zyklus von 3 auf 6 Monate erhöht wird. Eine neue Situation an die ich mich erstmal wieder gewöhnen und im Kopf verarbeiten muss. Ich bin zwar grundsätzlich positiv, aber im hintersten Winkel meines Gehirns versteckt sich weiterhin die Angst. Und diese Angst schaut abundzu mal hervor. Zudem fallen mir Umstellungen von Gewohnheiten nicht mehr so leicht.
Die nächsten anstehenden Projekte sind: die Entfernung des Ports und meine jährliche Magen-Darmspiegelung im April.
Und nebenbei den nächsten großen Traum anzuzugehen und zu konkretisieren. Mehr dazu ein anderes mal.
Relevante Themen:
3. Mai 2018
Der Sphinkter verbessert auf alle Fälle die allgemeine Lebensqualität.
Alltägliche Sachen, wie Gassi gehen, Schwimmen, aber auch Motorradfahren, die vorher schwerer zu meistern waren, sind jetzt ohne weiteres machbar. Um ehrlich zu sein freue ich mich schon auf die nächste Motorradtour. Endlich wieder ohne Einschränkung auf- und abzusteigen. Oder sich während der Fahrt strecken zu können ohne Angst zu haben auszulaufen und der damit verbundenen Gefahr das die Einlage voll läuft und ein umständliches Wechseln der Einlage notwendig wird.
Überhaupt sind endlich die spontan notwendigen Wechsel der Einlagen zb beim einkaufen, beim Gassi gehen oder beim bummeln vorbei. Ich muss einfach nicht mehr daran denken immer eine Ersatzeinlage mit mir herumzutragen und mich so nicht mehr ärgern sofern ich genau diese vergessen habe.
Es sind auch endlich die Nächte vorbei, in der die Einlage verrutschte und dadurch das Bett feucht wurde. Die Notwendigkeit in der Nacht aufzustehen, da das Gefühl einer vollen Einlage mich weckte, sind ebenso gezählt. Wobei ich jetzt regelmässig in der Früh mit einem Blasendruck und einem leichten Ziehen (ich denke das ist normal) wach werde, auch wenn die Blase nicht komplett voll erscheint. Wenn dadurch auch kein langes Ausschlafen möglich ist, kann ich zumindest wieder Durchschlafen!
Dennoch bleibt das spürbare Gefühl einen Fremdkörpers in mir zu haben. Ich kann nicht nur den offensichtlichen Teil des Sphinkters, nämlich die Pumpe im Skrotum ertasten, sondern auch den Ballon und die Verschlussmanschette.
Somit bleibt es weiterhin ein komisches Gefühl den Sphinkter implantiert zu haben, aber ich habe mich durchaus bereits daran gewöhnt, zudem überwiegen die positiven Veränderungen bei weiten.
Inzwischen konnte ich auch schon Frau Dr. Bauer, Inkontinenzspezialistin im Klinikum Grosshadern, einem Leidensgenossen weiterempfehlen. Er wird Ende Mai den Sphinkter implantiert bekommen. Ich wünsche ihm die gleichen positiven Erfahrungen da die Inkontinenz bei ihm noch weitaus gravierender war als bei mir.
Relevante Themen:
6. Juni 2018
Nun ist es endlich passiert: mein Port wurde explantiert. Nach 32 Monaten, unbenutzt im Körper!
Das dieser Port unbenutzt ist, ist eine positive Sache. Denn die eigentlich Chemo war schon geplant. Die Termine für die 6 Behandlungen bereits in meinem Kalender eingetragen. Die Klinik Rechts der Isar wollte durch die Chemo ein Downsizing des Tumors erreichen, um so die Operabilität zu verbessern. Denn die Klinik sah eine große Gefahr, daß ohne entsprechendes Downsizings, u.a. das bereits infiltrierte Rektum in Mitleidenschaft gezogen wird, und ich so - wenn auch nur vorrübergehend - einen künstlichen Darmausgang benötige.
Zwischen der Portimplantation und der ersten Chemo gingen wir allerdings noch zu einem weiteren Gespräch nach Grosshadern. Es war ein Freitag, ein verregneter typischer Novembertag. Ich hatte eigentlich keinen Bock mehr, da ich mich auf diesen Chemo-Ansatz bereits eingelassen hatte. Wobei es nicht mein Wunschvorgehen war, denn ich wollte den Tumor erstmal raus bekommen. Dennoch habe ich mich damit abgefunden.
Wir also doch hingegangen. Schon der Anblick dieses riesigen und nicht besonders attraktiven Gebäudes, machten es mir nicht leichter dort hineinzugehen. Aber gut jetzt waren wir schon mal da. Dann der volle Wartesaal - diese erdrückende Stimmung. Überall sorgenvolle Gesichter. Bei einem Patienten mit Katheter lief der Urin nicht in den Beutel, sondern auf den Boden. Oh Mann, was mache ich hier.
Dann wurden wir aufgerufen. Die Assistenzärztin schaute sich kurz die Unterlagen an und meinte das sie operieren würden - ohne vorherige Chemo. Da wir wohl sehr überrascht, verunsichert aber auch erfreut wirkten, wurde noch der Oberarzt hinzugezogen. Dieser bestätige den Ansatz. Durch die weitere Verunsicherung unsererseits, sollte noch der Chefarzt hinzugezogen werden. Er war allerdings wegen einer OP verhindert.
Somit wurde uns angeboten das Sie später nach der OP mit dem Chefarzt sprechen und uns dann anrufen. Wir waren gerade zu Hause angekommen, da klingelte kurz danach bereits das Telefon. Die Assistenzärztin bestätigte das auch der Chefarzt eine OP - ohne Komplikationen - für machbar erachtet. Er würde dies auch persönlich durchführen. Auf meine Frage wann dies möglich sei, meinte Sie gleich am Dienstag!!! Nach kurzer Bedenkzeit entschlossen wir uns dazu. Am Montag ging ich dann zur Aufnahme, Dienstag wurde ich erfolgreich operiert. Es folgten zwar noch weitere Behandlungen, Bestrahlungen und OPs, aber seitdem ist mein PSA nicht nachweisbar.
Der Port ist seitdem drin. Heute, 32 Monate später wurde dieser endlich entfernt, in der Hoffnung das ich einen solchen nie nochmal benötigen werden.
Somit ist ein weiteres Kapitel abgeschlossen. Jetzt werde ich nicht mehr täglich beim anziehen oder duschen daran erinnert. Der Knubbel ist weg. Eine Narbe bleibt, aber es ist nicht die einzigste. Es gibt einige, auch nicht sichtbare Narben.
Aber ich lebe und habe eine zweite Chance erhalten, höchstwahrscheinlich nur auf Zeit. Umso wichtiger das Leben jetzt zu genießen.
Relevante Themen:
1. Oktober 2018
Heute vor drei Jahren begann mit meinem allerersten Besuch bei einem Urologen diese, meine Reise durch die chaotische Gefühlswelt einer bösartigen Krebserkrankung.
Immerhin dauert diese nun schon drei Jahre an, gefühlt ist diese Reise deutlich länger.
Ein trockener Orgasmus war der Anlass des Besuches. Der Urologe meinte noch im ersten Gespräch: "Sie wissen doch wie das im Alter bei uns Männern so ist!". Ne, wusste ich bis dato nicht!
Raus kam dann keine altersbedingte Einschränkung, sondern ein hochagressiver Prostatakrebs, welcher bereits aus der Prostata ausgetreten ist. Geblieben ist, abgesehen von den mentalen Defiziten und körperlichen Beeinträchtigungen, vor allem Inkontinenz und Impotenz. Die Inkontinenz konnte ich durch ein künstliches Implantat (Sphinkter) in den Griff bekommen. Gegen die Impotenz ist nichts zu machen. Dies hat natürlich Auswirkungen, nicht nur auf mein eigenes Leben.
Aber das wichtigste bleibt: das Leben.
Ich würde auch immer wieder dem gleichen Behandlungsplan, so wie durchgeführt, zustimmen. Wobei es mangels Alternative auch keine andere Wahl gab, ausser vielleicht erst mit einer Chemo zu beginnen. Das Ergebnis und die bleibenden Einschränkungen wären geblieben. Der Weg mit einer Chemo wäre sehr wahrscheinlich beschwerlicher geworden.
Wäre, wäre Fahrradkette. Wissen tut man nichts!
Der Arzt meinte ziemlich deutlich auf meine Frage was passiert, wenn ich nichts unternehme, "sie haben vielleicht noch 6 Monate". Auch das bleibt hypothetisch, aber es zeigt auch wie verdammt eng es war und wie glücklich ich mich schätzen kann meinen Hals noch aus der Schlinge befreit haben zu können.
C'est la vie.
Relevante Themen:
6. Dezember 2018
Erstmal vorweg: mein PSA Wert ist weiterhin unter der Nachweisgrenze. Wahnsinn und das nun schon seit 2 ½ Jahren
Nun gibt es folgende grobe Faustregel bei Krebserkrankungen: tritt innerhalb von 5 Jahren kein Rezidiv auf, dann wird der Patient als krebsfrei eingestuft. In vielen Fällen spricht man wahrscheinlich auch von „geheilt“.
So weit so gut.
Je mehr Zeit aber vergeht, desto nervöser werde ich auch. Warum, wenn die Faustregel stimmt?
Meine Nervosität basiert ganz einfach darauf das es bei ähnlichen Fällen (PCa hochagressiv und bereits aus der Prostata ausgebrochen) ein Rezidiv nach 3, 5 oder gar 7 Jahren erkennbar wurde.
Mein Dilemma
Somit fühle ich mich einerseits über die Zeit auf ein imaginäres tolles Ziel zuzusteuern, andererseits steigt meine Angst das je mehr Zeit vergeht der Krebs sich wieder bemerkbar machen muss.
Keine Ahnung wann es einen Turnaround in meiner Gedankenwelt geben wird. Heute habe ich auf alle Fälle nicht nur Steine gehört die uns von der Seele fielen, es waren Felsen.
Relevante Themen: