Hier ist mein kompletter Blog mit allen Beiträgen rund um meine Erfahrungen zu Prostatakrebs
28. Oktober 2019
Nun sind vier Jahre rum seit der OP. Vier Jahre um sich mit den Nebenwirkungen der OP auseinanderzusetzen und letztendlich zu arrangieren.
I² steht für Inkontinenz und Impotenz. Zwei der wesentlichen Auswirkungen einer radikalen Prostataektomie.
Ich habe lange gewartet und vor allem gehofft, dass sich die Inkontinenz durch Fleiß und Schweiß mit Beckenbodentraining regeln lässt. Aber diese Hoffnung war vergebens. Also musste ein künstlicher Schließmuskel her. Einmal implantiert dauerte es eine ganze Weile bis ich mich damit arrangieren konnte. Inzwischen aber ist das mit dem Sphinkter eine runde Sache, obwohl sich das Implantat natürlich immer noch komisch anfühlt, da wo es sich befindet.
Bei einer radikalen Prostataektomie kann manchmal nicht nervenschonend operiert werden. Dies führt zur vollständigen Impotenz, also der Unfähigkeit einer Erektion. Zwar gibt es hierfür ebenfalls ein Implantat. Aber sich das neben dem Sphinkter zusätzlich zu implantieren führt mich ohne Umschweife zum Gefühl Robocop zu sein.
Spaß beiseite.
Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen. Was letztendlich aber dazu führt, das ich diesen Zustand für den Rest meines Lebens akzeptieren muss und vorallem lernen muss mit der Situation umzugehen. Das gilt natürlich nicht nur für mich, sondern auch für meine Frau, die selbst direkt zu spüren bekommt was das bedeutet. Andere Menschen in meinem Umfeld mögen diesen Umstand ebenfalls spüren, wenn auch nur indirekt, weil mein Verhalten sich sicherlich verändert hat, so bin ich kaum mehr Gesellschaftsfähig. Mich interessieren andere Menschen kaum, vorallem nicht die, die sich während meiner Diagnose, Behandlung und Nachsorge null gekümmert haben. Da kappe ich die Verbindungen, weil es mir einfach nicht mehr wichtig ist bzw ich mich nicht mehr aufreiben will wegen dem Verhalten anderer Menschen. Wobei das sicherlich nicht zwingend mit der Impotenz zu tun hat, sondern mit der Erkrankung und Erfahrung ganz allgemein.
Aber das alles hat letztendlich natürlich unmittelbar Auswirkung auf meine Psyche. Meine Konzentration fokussiert sich daher auf andere Dinge die ich gerne mache, zb Motorradfahren und den wenigen Menschen und Tiere die ich gerne um mich habe, die mir wichtig sind und für dich alles unternehmen werden, auch wenn ich manches mal nicht die Kraft habe.
Am Ende bin noch auf die Langzeitauswirkungen der Impotenz gespannt. Schlussendlich sind es erst vier Jahre und ich hoffe es folgen noch viele. Keine Ahnung ob ich mich weiter in eine noch extremere Gefühlslage und Gedankenwelt bewege...
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11. Dezember 2019
Wir haben dieses Jahr am Nikolaus gar keine Schuhe vor die Tür gestellt. Na gut, unser Sohn ist inzwischen auch schon 18 Jahre, da macht man es vielleicht nicht mehr bzw vergisst es einfach mal. Egal.
Insofern gab es heute eine verspätete schöne Überraschung: PSA weiterhin im unkritischen, nicht messbaren Bereich.
Ho Ho Ho.
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16. Juni 2020
Om ist der »Klang des Universums« und steht für die Dreieinigkeit. Es verkörpert die drei Bewusstseinszustände: Wachzustand, Traumzustand und Tiefschlaf.
In diesem Augenblick beschreibt es auch meinen Seelenzustand, nachdem ich erfahren habe das mein PSA weiterhin nicht nachweisbar ist: Om
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1. Oktober 2020
Fünf
Genau heute vor fünf Jahren ging meine PCa-Odyssee mit dem überhaupt allerersten Besuch bei einem Urologen los. Viele weitere Besuche, Behandlungen und Therapien folgten. Eigentlich wollte ich jetzt von bestimmten Dinge aus den letzten Monaten schreiben, aber die Ereignisse der letzten zwei Tage machte das hinfällig.
Freude
Es fällt mir dieses mal gar nicht so leicht über den weiter nicht nachweisbaren PSA Wert zu jubeln. Ja, ich habe heute morgen das positive Ergebnis mitgeteilt bekommen. Ist natürlich toll und die Freude ist schon riesig darüber. Warum?
Schmerz
Weil wir vorgestern unsere alte Hundedame verloren haben. Der Schmerz darüber, überwiegt dieses mal der Freude über den niedrigen PSA Wert. Motte war ein besonderer Hund, weil eben anders als andere Hunde. Sie brachte uns viel Liebe und Spaß aber auch Sorgen ins Haus. Denn sie ist mir, gleich nachdem sie 10 Tage bei uns war, beim Gassi gehen entwischt. Sie war dann 6,7 Monate sozusagen auf der Flucht. Zwar fast immer in der Nähe unserer Ortschaft, aber zu verängstigt wieder nach "Hause" zu kommen. An Ende ging alles gut aus, denn wir konnten sie einfangen. Diese Erfahrung und die Zeit danach, vorallem ihr Vertrauen erlangt zu haben, war eben etwas besonderes.
Vielleicht hab ich mich auch schon zu sehr an diese alle-3-Monaten-positive-Nachricht gewöhnt. Was natürlich wiederum Quatsch ist, da ich genau weiss was ein erneutes aufflammen des Wertes bedeuten würde.
Genau das wurde mir diese Woche auch noch vor Augen geführt. Eine Facebook Freundin, die ich auch zweimal kurz persönlich traf, starb kürzlich an den Folgen ihrer Krebserkrankung. Da ich bereits seit einiger Zeit nichts mehr von ihr gehört und gelesen hatte, hatte ich genau das bereits befürchtet. Vor zwei Tagen, am gleichen Tag als uns nachts die Motte verließ, habe ich dann durch einen FB-Post die traurige Gewissheit über ihren letzten Gang über die Regenbogenbrücke, so bezeichnete sie es, erfahren.
Sie hat mich besonders beeindruckt, weil sie mit ihrer eigenen Situation und die ihres Partners, ebenfalls an Prostatakrebs erkrankt - wodurch wir uns überhaupt kennen lernten, umging. Eine Kämpferin die nie den Mut verlor, immer nach vorne blickte ohne zuviel Wehmut und ohne großes Klagen. Eine inspirierende Persönlichkeit, die mir immer in Erinnerung bleiben wird, im Bestreben es ihr im Umgang mit dem Krebs gleich zu tun.
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20. September 2021
Jetzt nach fünf Jahren verlängert mein Urologe die PSA-Nachsorge von 3 auf 6 Monate. In der Regel findet diese Verlängerung bereits nach rund 2 Jahren nach der Therapie (OP, Bestrahlung und/oder Chemo) statt.
Da muss ich mich erstmal dran gewöhnen. Der kurze Zeitabstand von 3 Monaten hat mich in der Vergangenheit eher beruhigt, auch wenn die Anspannung nach der Blutentnahme bis zum Ergebnis auch immer spürbar war, so war die engmaschige Nachsorge doch eher positiv. Na gut, jetzt halt alle 6 Monate - werde ich mich auch dran gewöhnen.
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27. April 2022
Heute hatte ich einen Termin bei meinem Urologen. Wir beide waren etwas überrascht und dachten jeweils der Termin wurde vom Gegenüber gewünscht. Eben nicht, denn der Termin wurde von einer Praxis-Angestellten ausgemacht, als ich das letzte mal zur PSA Messung vor Ort war. Sie hatte es gut gemeint, aber es gab eigentlich keinen Anlass.
Dennoch gut sich mal wieder gesehen und ausgetauscht zu haben. Urinprobe und Ultraschall wurden dann halt mal mitgemacht. Ohne Befund zum Glück.
Und das schönste war dann das Mittagessen mit meinem Junior, der zur Zeit in München in der Nähe arbeitet.
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22. Juli 2023
“Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer“
Aus eigener Erfahrung hat es bei mir Jahre gedauert bis ich einigermaßen verstehen konnte was die Ärzte mit “Es geht nicht um Heilung, es geht nur um das sichern der Lebensqualität“ meinten.
Du benötigst einen kleinen Personenkreis, vertraute, liebgewonnene Personen aus der Familie, Freunde und Ärzte die dir helfen mit den Herausforderungen nach einer radikalen Prostataektomie zurechtzukommen.
Den überwiegenden Teil deines Freundes- und Familienkreis kannst du abhacken. Viele nehmen nicht wirklich an deiner Geschichte teil, sie fragen nur weil sie es müssen, nicht weil sie es wirklich wollen. Sie hören dir nicht zu, geben dir keine Möglichkeit dich mitzuteilen. Es ist schon sehr traurig wenn man sich mit unbekannten Personen, zb. Handwerkern, intensiver und empathischer austauschen kann, als mit alten Seilschaften! Es ist leider so.
Also mit einem engen Personenkreis, die dich moralisch unterstützen, kannst du auch schwere Umstände, wie eine Inkontinenz und Impotenz, meistern. Es dauert aber mitunter Jahre.
Thema Impotenz: Sex ist für die meisten, fast allen, wichtig. Viel wichtiger ist aber das Leben. Leben ohne Sex funktioniert - Sex ohne Leben aber nicht!!! Sofern ein verständnisvoller Partner an der Seite und die Familienplanung abgeschlossen ist, dann ist es leichter damit umzugehen. Wobei es auch dann eine mentale Belastung bleibt. Es ist eben nicht einfach sich der über ein ganzes Leben aufgebauten Ideologie "der Mann, das starke Geschlecht" oder der schwanz gesteuerten Ausrichtung des männlichen Denkens entgegen zu stellen.
Ein Mann kann zwar einen (trockenen) Orgasmus - auch ohne Erektion! - bekommen. Naja, ganz trocken ist dieser dann auch nicht, sofern Inkontinenz eine Rolle spielt. Dann kommt halt Urin mit raus. Orgasmus bleib dabei nicht Orgasmus - ist natürlich nicht zu vergleichen.
Der Verlust der Männlichkeit nagt an meinem Selbstvertrauen. Ich fühle mich in diesem Sinne nicht mehr als Mann. Mann bringt es einfach nicht mehr. Mann fühlt sich schwach, minderwertig. Der Verlust der sexuellen Leistungsfähigkeit, ist auch ein Verlust von Selbstbewusstsein. Dies wiederum hat verschiedene Auswirkungen auf den Beruf, Fähigkeiten Freundschaften zu halten etc.
Es gibt zwar Spritzen oder Implantate (AMS700 - Pumpe für künstliche Schwellkörper) die Abhilfe schaffen könnten. Wobei das Ergebnis natürlich auch nicht mit einer echten Erektion zu vergleichen ist. Hilft dem einen oder anderen sicherlich. Mir jedoch nicht. Wer will sich schon eine Spritze in den Penis setzen oder erst pumpen ("Pump-up-your-Penis") vor einem sexuellen Akt? Dann lieber keinen Sex, als sich schlecht zu fühlen, zu merken du bringst es einfach nicht mehr.
Ist ziemlich egoistisch ich weiß. Umso wichtiger einen Partner zu haben, die das akzeptiert und ebenfalls, so wie man selbst, andere Eigenschaften einer Beziehung in den Mittelpunkt stellt.
Wenn du zudem in einem Umfeld arbeitest (Teil eines japanisches Konzerns), wo das "Mann sein" noch ausgeprägter ist, als bei uns in der deutschen Gesellschaft, so setzt dies einem noch mehr zu, sich nicht mehr gleichwertig fühlen zu können. Ich habe es live miterlebt wie traditionelle japanische Männer in der Gesellschaft die Rolle des starken Mannes prägen, ausleben und raushängen lassen. Viel von dem spielt sich im eigenen Kopf ab, man spürt und sieht Dinge und Verhalten anderer und interpretiert. Klar das dies auch Auswirkungen auf deine Psyche hat.
Wenn dann dein Arbeitgeber auch noch sagt, “wer bei uns arbeitet ist gesund“ und “dich und deine Situation anders zu bewerten, wäre den anderen Kollegen gegenüber unfair“ ist mehr als ein Schlag in die Magengrube. Ein solcher Vergleich ist nicht korrekt, denn jemanden mit einer Schwerbehinderung (80%) mit einem gesunden Kollegen zu vergleichen, ist schon moralisch betrachtet falsch. Aber es gibt leider solche Menschen die das tun - unser Geschäftsführer war leider so einer. Schlimmer Mensch.
Thema Inkontinenz: auf eine öffentliche Toilette zu gehen, um erst durch drücken des Sphinkters im Skrotum urinieren zu können, führt zu Beginn zu unbehagen. Mann fühlt sich ständig beobachtet.
Fazit: die Prostata ist ein Teil des männlichen Geschlechtsorgans. Eine Entfernung hat immer etwas mit der besagten Männlichkeit zu tun und kann somit erheblichen Einfluss auf das restliche Leben haben. Wer sich dem stellt und dies akzeptiert, hat gute Chancen mit dem Leben zurecht zu kommen. Unter der Voraussetzung, das der Tumor erfolgreich behandelt wurde und kein Rezidiv entsteht und man ein Umfeld mit empathischen Menschen hat.
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