In der ersten Klinik wollte man mir erst eine Chemo verabreichen, um den Tumor zu verkleinern. Es war alles vorbereitet: Port gesetzt und Termine vereinbart. Aber es kam dann anders …
12. November 2015
Nachdem ich durch die gestrige Spritze für die Hormontherapie Schmerzen an der Einstichstelle verspürte, bin ich heute zum Hausarzt.
Eigentlicher Anlass für den Arztbesuch war allerdings ein EKG als Vorbereitung auf die Chemo.
Wie auch immer mein Arzt hat mich erstmal arbeitsunfähig geschrieben.
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13. November 2015
Heute habe ich ein Vorgespräch im Rechts der Isar, um Information über den für die Chemo notwendigen Port zu erhalten.
Wenn man nun all die möglichen Risiken eines Porteingriffs hört, kommen einem schon Zweifel. Andererseits, wenn man so die ganzen Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel eines Medikaments liest, dann will man dieses auch schon nicht mehr nehmen!
Der Termin ist nun am nächsten Dienstag (17.11.) um 6.45 Uhr. Oh gott so früh schon dort sein. Dauer rund 5 Stunden.
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17. November 2015
Um 5 Uhr aufgestanden und gewundert was um diese Zeit in der S-bahn bereits los ist.
Pünktlich angekommen ging es zügig los. Der Raum um seine Sachen abzulegen war etwas seltsam. Eher eine Art Vorzimmer von Ärzten. Insofern gab es einiges an Laufverkehr durch diesen Raum. Schon etwas seltsam und nach der OP etwas störend.
Ansonsten verlief alles problemlos. Etwas viel Wartezeit am Ende, aber immer freundlich und nett betreut worden.
Die OP selbst bekommt man ganz gut mit, da es nur eine lokale Betäubung gibt. Sehen kann man alldrdings nichts, da alles abgehangen ist. Doch durch die anderen Sinnesorgane, Geruch und Gehör, bekam ich dann doch genug mit.
Nach vielleicht gefühlten 5 Minuten meinte der Arzt, ah da ist Sie (Vene), ein Prachtexemplar. Wow dachte ich, so schnell und ohne das ich was gespürt habe. Dann war aber erstmal Stille, kurzes Gespräch zwischen den Ärzten (konnte ich nicht verstehen). Dann die Aussage: Fehlarm!
Wir müssen noch ein bisschen tiefer. Alles normal war die nächste Ansage. Also wurde weiter gesucht.
Nach ein paar Minuten dann die Mitteilung das sie jetzt die Vene gefunden haben. Uff. Sie sei tiefer wie gewöhnlich, so 2,5 cm. Arggggh.
Also noch ein bisschen Vorarbeit und dann kommt der Schlauch rein. Super.
Zu früh gefreut. Schlauch geht nicht rein! Aber auch das ist ganz normal. Sie müssen jetzt halt die Schlüsselbeinvene punktieren. Erstmal eine zusatzliche Betäubung und weiter gearbeitet.
Sehr wohl habe ich mich dabei nicht gefühlt, aber auf die Zunge beißen und durch und so war es mit der Schlüsselbeinvene dann auch kein Problem mehr. Schlauch eingeführt, Port gesetzt und das ganze verschlossen.
Währenddessen kam ein weiterer Operateur mit ein paar Fragen an meinen behandelnden Arzt herein. Ich dachte mir schon "ohje, bitte lenke die Ärzte nicht ab". Worauf sich zeitgleich dieser zweiter Operateur zu mir runter beugte und meinte ich solle mir keine Sorgen machen. Er würde nicht ablenken. Als ob er Gedanken lesen kann!
Nichtsdestotrotz ging ein Arzt dann in den anderen OP und überließ der zweiten anwesenden Ärztin das vernähen der Wunde.
Anschließend ging es gleich raus zum ausruhen. Noch einmal zum Röntgen und dann nach längerem warten, bis mich die Ärztin endlich entließ, mit der S-Bahn nach Hause.
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18. November 2015
Bedingt durch die Schmerzen nach dem einpflanzen des Ports und dem Gefühl nicht anpacken zu können, fühlte ich mich heute nicht so gut.
Viele Gedanken gehen mir durch den Kopf. Vor allem über die Zeit die noch kommen wird.
Zudem sind meine liebsten einerseits von der Arbeit gestresst, anderseits besorgt über meine Situation.
Die Port-OP bringt bei uns viele negative Gedanken und Erinnerungen hervor. Meine Schwester und Dad hatten auch einen solchen Port bekommen. So spüre ich förmlich die Ernsthaftigkeit der Situation.
Aber ich muss die schlechten Gedanken fallen lassen und positiv in die Zukunft schauen.
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20. November 2015
Nachdem uns die Meinung aus Tübingen mit einer Strahlentherapie zu beginnen, doch etwas verunsichert hat, wollten wir uns noch eine weitere Meinung einholen. Dieses mal in München im Klinikum Großhardern.
Die gute Nachricht: auch sie nehmen Abstand von einer Strahlentherapie als Erstbehandlung, so wie von Tübingen vorgeschlagen.
Die schlechte Nachricht: sie schlagen stattdessen eine OP als Erstbehandlung vor! Mit einer möglichen Chemotherapie im Anschluß. Also anders herum als das MRI.
Wieder die Frage: was machen?
Es wird uns gesagt das beide Ansätze ihre Berechtigung haben. Nur ist Großhadern der Auffassung erstmal den Primärkarzinom zu entfernen, so daß der Ursprung beseitigt ist und somit das Risiko für eine weitere Streuung reduziert wird.
Mir gefällt dieser Ansatz besser, wobei ich auch den Argumente des MRI folgen kann.
Nun müssen wir als faktisch Unwissende eine schwere Entscheidung treffen. Das kann eigentlich nur aus dem Bauch heraus geschehen.
Was uns in Großhadern gefallen hat, war das die Assistenzärztin den Oberarzt hinzu gezogen hat, nachdem sie unsere Verunsicherung bemerkt hat. Dieser wollte wiederum noch den Chefarzt dazu holen. Dieser war allerdings für den ganzen Tag im OP. Sie wollen ihn trotzdem nochmal konsultieren und uns seine Meinung zum möglichen Vorgehen heute noch mitteilen.
Insgesamt haben sie sich sehr viel Zeit für uns genommen. Das gilt aber auch fürs MRI, wobei ich dort noch mit keinem Ober-, geschweige den Chefarzt sprechen konnte.
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22. November 2015
Ich bereue die Entscheidung für eine OP als Erstbehandlung nicht. Im Gegenteil ich freue mich.
Schließlich war ich etwas enttäuscht als mir das MRI eine Chemo als Erstbehandlung empfahl. Die Unsicherheit darüber was während der langen Zeit der Chemo in meinem Körper mit dem Karzinom passiert, hat mich stets besorgt. Die Nebenwirkungen und das nichts tun können während dieser langen Zeit, würden meinem, unserem Seelenleben nicht gut tun.
Insofern bin ich glücklich über diese Entwicklung.
Ich glaube nicht an Gott, aber an Schicksal. Grosshadern mit der OP ist irgendwie ein Wink des Schicksals. Eigentlich wollte ich nicht mehr hin. Der Weg dorthin mit der S-Bahn war nervig und ungemütlich. Die Anmeldung in der Klinik war zudem aufwendig, viele Formulare auszufüllen, längeres warten etc. Das Klinikgebäude wirkte so abstoßend, weil so groß. Wir dachten schon: wird ein sinnloser Termin.
Dann aber fand das Gespräch statt und das Gefühl hier richtig zu sein wuchs stetig. Dann noch die Möglichkeit auf einen schnellen Termin, mit einem sehr erfahrenen Doc (über 4000 Prostata-OPs), fiel es uns relativ leicht die Entscheidung dafür zu treffen.
Um für alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, habe ich noch ein Testament und eine Patientenverfügung aufgestezt. Kostet viel Kraft und Tränen sind nicht zu vermeiden. Insofern sollte man diese Sachen in gesunden Zeiten tun!
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23. November 2015
Nachdem ich alle möglichen Fragen und Voruntersuchungen abgeschlossen hatte, kamen dann noch der Oberarzt und später der Chefarzt vorbei.
Eine Situation die ich bei meinem Dad eigentlich nie erlebt habe. Obwohl er eine private Zusatzversicherung hatte zeigte sich ein Oberarzt, geschweige denn Chefarzt so gut wie gar nicht bei ihm. Man musste diesen sogar eher hinterher laufen.
Ich bin jetzt nur normaler Kassenpatient.
Gibt mir die Hoffnung das die Welt noch nicht ganz so versaut ist und die Menschlichkeit in so schweren Situationen doch noch über dem System steht.
Der Chefarzt meinte sogar ich sei ein Notfall und er hat andere Patienten vertröstet und auf spätere Termine verschoben. Wow, ein tolles Gefühl.
Er versicherte mir nochmal das es absolut notwendig ist die OP jetzt und sofort zu machen. Andere Therapien, wie Chemo, mögen die Verkleinerung der Prostata erzwingen, in dieser Zeit kann es aber auch zur Streuung kommen. Was bei mir bisher aber eben noch nicht erfolgt ist. Meine Knochen und Organe sind frei. Die betroffenen Lymphknoten werden sowieso während der OP entfernt.
Seine Meinung zur Strahlentherapie wie von Tübingen vorgeschlagen ist hart: "Die haben sie aufgegeben". Ich bin schokiert wie eine renommierte Klinik, wie die in Tübingen, dann so einen Plan vorschlagen kann. Mann oh mann.
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6. Juni 2018
Nun ist es endlich passiert: mein Port wurde explantiert. Nach 32 Monaten, unbenutzt im Körper!
Das dieser Port unbenutzt ist, ist eine positive Sache. Denn die eigentlich Chemo war schon geplant. Die Termine für die 6 Behandlungen bereits in meinem Kalender eingetragen. Die Klinik Rechts der Isar wollte durch die Chemo ein Downsizing des Tumors erreichen, um so die Operabilität zu verbessern. Denn die Klinik sah eine große Gefahr, daß ohne entsprechendes Downsizings, u.a. das bereits infiltrierte Rektum in Mitleidenschaft gezogen wird, und ich so - wenn auch nur vorrübergehend - einen künstlichen Darmausgang benötige.
Zwischen der Portimplantation und der ersten Chemo gingen wir allerdings noch zu einem weiteren Gespräch nach Grosshadern. Es war ein Freitag, ein verregneter typischer Novembertag. Ich hatte eigentlich keinen Bock mehr, da ich mich auf diesen Chemo-Ansatz bereits eingelassen hatte. Wobei es nicht mein Wunschvorgehen war, denn ich wollte den Tumor erstmal raus bekommen. Dennoch habe ich mich damit abgefunden.
Wir also doch hingegangen. Schon der Anblick dieses riesigen und nicht besonders attraktiven Gebäudes, machten es mir nicht leichter dort hineinzugehen. Aber gut jetzt waren wir schon mal da. Dann der volle Wartesaal - diese erdrückende Stimmung. Überall sorgenvolle Gesichter. Bei einem Patienten mit Katheter lief der Urin nicht in den Beutel, sondern auf den Boden. Oh Mann, was mache ich hier.
Dann wurden wir aufgerufen. Die Assistenzärztin schaute sich kurz die Unterlagen an und meinte das sie operieren würden - ohne vorherige Chemo. Da wir wohl sehr überrascht, verunsichert aber auch erfreut wirkten, wurde noch der Oberarzt hinzugezogen. Dieser bestätige den Ansatz. Durch die weitere Verunsicherung unsererseits, sollte noch der Chefarzt hinzugezogen werden. Er war allerdings wegen einer OP verhindert.
Somit wurde uns angeboten das Sie später nach der OP mit dem Chefarzt sprechen und uns dann anrufen. Wir waren gerade zu Hause angekommen, da klingelte kurz danach bereits das Telefon. Die Assistenzärztin bestätigte das auch der Chefarzt eine OP - ohne Komplikationen - für machbar erachtet. Er würde dies auch persönlich durchführen. Auf meine Frage wann dies möglich sei, meinte Sie gleich am Dienstag!!! Nach kurzer Bedenkzeit entschlossen wir uns dazu. Am Montag ging ich dann zur Aufnahme, Dienstag wurde ich erfolgreich operiert. Es folgten zwar noch weitere Behandlungen, Bestrahlungen und OPs, aber seitdem ist mein PSA nicht nachweisbar.
Der Port ist seitdem drin. Heute, 32 Monate später wurde dieser endlich entfernt, in der Hoffnung das ich einen solchen nie nochmal benötigen werden.
Somit ist ein weiteres Kapitel abgeschlossen. Jetzt werde ich nicht mehr täglich beim anziehen oder duschen daran erinnert. Der Knubbel ist weg. Eine Narbe bleibt, aber es ist nicht die einzigste. Es gibt einige, auch nicht sichtbare Narben.
Aber ich lebe und habe eine zweite Chance erhalten, höchstwahrscheinlich nur auf Zeit. Umso wichtiger das Leben jetzt zu genießen.
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5. April 2024
Warum ist das was besonderes? Es gibt zwei für mich wichtige Aspekte an dieser Sache:
1. Gedanke
Bevor es 2015 zur OP kam war eigentlich zuerst eine Chemo geplant. Das Krankenhaus wollte den Tumor im ersten Schritt mit einer Chemo verkleinern ("down-sizing") und dann im zweiten Schritt eine OP ansetzen. Ich hatte dafür auch schon die notwendigen sechs Behandlungstermine angesetzt und einen Port gesetzt bekommen. Zu diesem Zeitpunkt entstand der Gedanke:
Sollten mir die Haare bei einer Chemo ausfallen, dann will ich sie wenigstens einmal richtig lang in meinem Leben getragen haben
Was die Chemo betrifft kam es dann doch anders, denn eine andere Klinik hat mich ohne vorherige Chemo sofort operiert. Erfolgreich! Dennoch war nach der OP und der Bestrahlung nicht ausgeschlossen das eine Chemo irgendwann zusätzlich notwendig sein wird. Also blieb der Zopf.
2. Gedanke
Nachdem es aber zum Glück nie zu einer Chemo kam, wurde der Zopf immer länger. Und irgendwann war es für mich eine Stilfrage. Deshalb blieb der Zopf drab und der Bart wuchs auch weiter. Mir war ja nie klar wie die Krebsgeschichte ausgeht. Als dann noch der zweite Tumor entdeckt wurde, fühlte ich mich bestätigt.
Da ich die zweite Behandlungsrunde zum Glück auch ohne Chemo überstand, sah ich mich als Gewinner und fühlte es war der richtige Zeitpunkt für eine Veränderung.
Es war ein starkes Zeichen meiner inneren Ruhe, meiner wieder erstarkten Psyche. Ich fühlte das ich den Krebs zweimal besiegt hatte und eine Chemo nicht mehr notwendig ist. Somit war es an der Zeit dies mit einem kurzen Haarschnitt zu untermauern. Zudem fällt es mit weniger Haar und ohne Zopf deutlich einfacher den Motorradhelm an- und abzuziehen.
Aber der Bart bleibt!
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